Was ist dreidimensionale Atmung und warum solltest Du sie nutzen?

21. Jul 2022 | 0 Kommentare

Erwachsene nehmen ungefähr 20.000 Atemzüge am Tag, meistens ohne darüber nachzudenken. Eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Atmung findet man eher bei Sportlern, Musikern oder Menschen mit Lungenerkrankungen.

Aber auch als gesunder Mensch mit oder ohne entsprechende Hobbys lohnt es sich, mal auf die eigene Atmung zu achten, da gibt es nämlich durchaus ein paar Unklarheiten über Bezeichnungen von verschiedenen Atemstrategien und was sie bedeuten.

Welche Atemstrategien es gibt, wann sie im Einsatz sind und warum Dir die dreidimensionale Atmung vertraut sein sollte, erzähle ich Dir im Folgenden.

Bauchatmung oder Zwerchfellatmung?

Es scheint kein einheitliches Verständnis von Begriffen rund um die Atmung zu geben. Das macht die klare Kommunikation darüber etwas komplizierter. Also betrachte ich zunächst ein paar Begriffe, die mir immer wieder über den Weg laufen.

Fangen wir mit der Bezeichnung an, die am häufigsten auftritt: der Bauchatmung. Sie wird häufig, allerdings nicht immer, synonym mit der Zwerchfellatmung genutzt. Da fängt schon die erste Verwirrung an, denn während das Zwerchfell durchaus anatomisch exakt ist, ist der Bauch zwar auch definiert, umfasst aber einen viel größeren Bereich des menschlichen Körpers. Es fehlt also eine präzise Bereichszuordnung für das Laienverständnis.

Wikipedia erklärt das Zwerchfell zur Begrenzung von Bauchhöhle zur Brusthöhle. Aufgrund dieser Lage erhebt mein Hirn bei synonymer Verwendung Einspruch, das ergibt für mich keinen Sinn. Auch unterhalb des Bauchnabels befindet sich immer noch Bauch, aber ganz sicher ist dort das Zwerchfell nicht mehr.

Zusätzlich ist es so, dass wir überhaupt nicht in der Lage sind, ohne Zwerchfell zu atmen. Es sei denn, man liegt auf der Intensivstation an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Sprich, jede Atmung, die wir bei Bewusstsein in der Lage sind zu verfolgen, ist im Grunde Zwerchfellatmung. Das Zwerchfell ist unser wichtigster Atemmuskel.

Bauchatmung versus Brustatmung

In der Praxis zeigt sich die Bauchatmung meist optisch recht deutlich durch ein Heben und Senken des Bauches (in Rückenlage) um die Gegend des Bauchnabels herum. „Atme tief in den Bauch“ hört man in Yogaklassen, bei Entspannungsübungen und Kursen vor oder nach der Geburt immer wieder.

Man sieht nur den Bauch und den Anfang der Oberschenkel einer Frau in engen Sportkleidung. Die Hände der Frau liegen auf ihren Leisten. Eine andere Hand liegt sanft auf dem Bauch auf, um die Bauchatmung zu spüren.
Bauchatmung erspüren

Bewusst und tief in den Bauch zu atmen wird angeleitet, um einer flachen Atmung etwas entgegenzusetzen. Ein tiefer Atemzug beruhigt unser Nervensystem. In angespannten Situationen oder bei Panik kann die Atmung sehr oberflächlich werden und sich mehr im Bereich der Schlüsselbeine, also im oberen Brustbereich, abspielen.

In manchen Momenten halten wir zwischenzeitlich sogar unbewusst den Atem an oder bleiben länger in einer flachen Atmung stecken, bis wir dann wieder bewusst durchatmen (können). Oder wir schnappen nach Luft, saugen sie plötzlich ein, wenn unser Körper merkt, dass dringend eine Dosis Sauerstoff benötigt wird.

Also ist Bauchatmung die beste Atemstrategie für mich?

Das könnte man nach den vorangegangenen Absätzen denken. Aber nein, das ist leider zu kurz gedacht. Warum Bauchatmung nicht als Standard-Atemstrategie taugt? Dafür müssen wir nochmal einen kleinen Anatomie-Umweg gehen, aber keine Sorge, es bleibt verständlich.

Eigentlich ist es sogar ganz simpel: Deine Lungen liegen im Brustkorb, oberhalb des Zwerchfells, nicht im Bauch. Der Brustkorb, die Rippen, das ganze Konstrukt um die Lungen herum ist genau dafür gebaut, sich bei jedem Atemzug zu bewegen, auszudehnen und Platz zu machen für die Luft, die in die Lungen strömt. Der Brustkorb kann aufgrund seines Designs eben nicht nur die Form, sondern auch sein Volumen ändern. Im Gegensatz zum Bauch, der nur seine Form verändern kann.

Wenn wir in den Bauch atmen, erhöht sich der intraabdominelle Druck, also der Druck im Bauchraum und das kann zu Beschwerden führen. Insbesondere ergibt sich, wenn die Standardatmung in den Bauch geht, eine sich bei jedem Atemzug wiederholende Belastung auf den Beckenboden. Wer bereits mit Senkungsbeschwerden und Druckgefühl im Beckenbodenbereich zu kämpfen hat, kann hier womöglich die Symptomatik unnötig verstärken. Außerdem kann die Bauchmuskulatur durch die anderweitige Belastung nicht optimal ihrem Job der Rumpfstabilisierung nachgehen. Eine Rektusdiastase wird durch diesen immer wiederkehrenden Druck ebenso beeinflusst.

Unterschied Brustatmung und Atmen in den Brustkorb

Also wollen wir diesen Druck vermeiden und tun dies am besten, indem wir so atmen, wie die Anatomie es für uns hergibt und physiologisch sinnvoll ist, in den Brustkorb. Der Vollständigkeit halber möchte ich hier nochmal zwischen Brustatmung und Atmung in den Brustkorb differenzieren.

Atmen wir in die Brust, besteht eine flache Atmung, die nur im Bereich der Schlüsselbeine oder oberen Rippen stattfindet. Der Brustkorb, die Rippen, bewegen sich dabei wenig oder gar nicht. Das gilt es in der Tat zu vermeiden, es ist die Atmung, die in beängstigenden, gefährlichen oder stressigen Situationen auftauchen kann. Wir wollen nicht mit unserem Nervensystem in dieser Kampf-oder-Flucht-Reaktion stecken bleiben, sondern uns wieder in einen ausgeglichenen Zustand regulieren und dabei hilft eine tiefe Atmung.

Dreidimensionale Atmung ist funktional

Diese tiefe Atmung erzielen wir idealerweise über das volle Ausschöpfen der anatomischen Begebenheiten, der Beweglichkeit unseres Brustkorbs eben. Die Fähigkeit sich auszudehnen, hat der Brustkorb durch die Anordnung der Rippen. Bis zur 10. Rippe sind diese alle am Brustbein befestigt, haben also einen begrenzten Spielraum. Die 11. und 12. Rippe jedoch haben keine Befestigung vorne und können somit den unteren Teil unseres Brustkorbs sehr weit werden lassen, wenn Luft in unsere Lungen fließt.

Hier wird die dreidimensionale Atmung in ihren Elementen dargestellt. Zwei Bilder sind zu sehen. Auf der linken Seite sieht man nur die linke Hälfte eines Frauenoberkörpers, die Hand ist auf die unteren Rippen gestützt, um die Atmung in die Seiten zu illustrieren. Auf dem rechten Bild sieht man den gesamten Oberkörper der gleichen Frau, eine Hand liegt auf ihrem Brustbein auf, eine vorne auf den unteren Rippen.
Die dreidimensionale Atmung: in die Seiten, nach vorne und hinten und nach oben und unten

Die Dreidimensionalität setzt sich wie folgt zusammen. Es gibt eine Bewegung in die Seiten am unteren Ende des Brustkorbs. Dort gibt es außerdem eine Bewegung nach hinten und nach vorne. Am Brustbein bewegt sich der Brustkorb leicht auf und ab. In Kombination ergeben diese drei Elemente die dreidimensionale Atmung, die gelegentlich auch als 360°- oder 3D-Atmung bezeichnet wird.

Physiologischer Nutzen der dreidimensionalen Atmung

Die 3D-Atmung ist funktional, sie bietet darüber hinaus physiologisch gesehen mehrere Vorteile. Nicht nur können wir auf diese Art tief atmen, ohne den Druck im Bauchraum zu erhöhen, sondern wir geben auch unserem Zwerchfell die Chance seinen Einsatz zu haben, wie vom „Design“ des Körpers her intendiert.

Wenn wir tief in den Brustkorb einatmen, dann senkt und weitet sich das Zwerchfell. Parallel dazu bewegt sich der Beckenboden in gleicher Art. Durch diesen Gleichklang wird also idealerweise bei jedem Atemzug der Beckenboden mitbewegt und durch seinen ganzen Funktionsspielraum trainiert. Auch spielt diese Bewegungsabfolge zwischen Zwerchfell und Beckenboden eine Rolle für die Bewegung der Organe, womit die Verdauung angeregt wird.

Dadurch, dass das Zwerchfell mit zwei Schenkeln an seinem hinteren Anteil an der Lendenwirbelsäule ansetzt, beeinflusst die dreidimensional Atmung Bewegung, funktionale Belastung und damit auch ein Training des unteren Rückens auf positive Weise. Insgesamt fördert es Deine Rumpfstabilität, damit auch Deine Haltungs- und Bewegungsmuster und aktiviert Dein parasympathisches Nervensystem. Das ist vorteilhaft für die Stressreduktion, die Herzfrequenz und im besten Fall auch den Blutdruck.

Warum atmen wir dann nicht alle dreidimensional?

Viele Menschen haben sich als dauerhafte Atemstrategie angewöhnt, in den Bauch zu atmen. Was vereinzelt als Übung seine Berechtigung haben kann, ist nicht ideal als der Normalzustand. Was individuell dafür der Grund für die Anpassung war, lässt sich vermutlich im Nachhinein in den meisten Fällen gar nicht mehr feststellen. Aber wiederholte Übung, Trauma und eingeschränkte Oberkörperbeweglichkeit sind Faktoren, die eine Rolle spielen können.

Der erste Schritt ist immer, sich bewusst zu machen, wie man dauerhaft atmet und sich dann nicht verrückt zu machen, wenn man feststellt, dass man Bauchatmer ist. Das ist an sich nämlich erstmal nicht problematisch, auch wenn es nicht optimal ist, da man es ändern kann. Was nicht bedeutet, dass man ab sofort bei jedem Atemzug wie besessen darauf achten soll, wie man atmet. Im Gegenteil, diese Herangehensweise führt in der Regel zu mehr Stress und ist somit kontraproduktiv.

Was in keinem Falle schaden kann und meistens sogar explizit substanzielle Vorteile bietet, sind Übungen, um die Oberkörperbeweglichkeit zu verbessern. Gerade wenn wir viel am Schreibtisch sitzen, wenig Bewegung im allgemeinen und Rotation im Speziellen im Alltag haben, kann hier schon mit wenig Aufwand eine Veränderung erzielt werden.

Übung zur Atmung und für den Oberkörper sind deswegen immer Teil meines Trainings, welches ich mit einem Ganzkörperansatz konzipiere. Wenn Du dazu Fragen hast, oder mit mir zusammenarbeiten willst, dann kannst Du immer einen Termin für ein unverbindliches Kennenlerngespräch mit mir vereinbaren. Hier findest Du meinen Buchungskalender.

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